Schulmedizin vs. alternativer Heilkunst, was steckt wirklich dahinter

Zwischen Tradition und Labor – wie sich Schulmedizin und alternative Heilkunst entfremdeten

Von Andreas Krobath, mehr über den Autor – klick auf Link!

Zwischen Kräutern und Kapseln, zwischen Ritual und Rezeptblock – irgendwo dazwischen sucht der Mensch bis heute nach Heilung.

Seit Anbeginn der Geschichte hat der Mensch Heilung gesucht – meist mit dem, was ihm die Natur (Wald, Kräuter, Steine, Wasser, Wurzeln, etc.) bot. Bevor Mikroskope, Labore und Krankenkassen die Medizin bestimmten, vertrauten Menschen auf Heilerinnen, Schamanen, Ayurveda-Ärzte und Kräuterkundige, die ihr Wissen aus Beobachtung, Intuition und überlieferten Ritualen gewannen. Ihre Therapien entstanden aus Jahrhunderten des Versuchens und Verstehens: Welche Pflanze lindert Fieber? Welche Mischung stärkt die Seele? Welche schmerzende Stelle ist mit welchen Teil des Körpers verbunden?

Diese Formen der traditionellen oder alternativen Medizin – heute oft mit Begriffen wie Ayurveda, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) oder pflanzliche Heilkunst sowie Steinheilkunde bezeichnet – galten lange als einziges Heilsystem. Sie verbanden Körper, Geist und Umwelt zu einem ganzheitlichen Ganzen.

Mit der Industrialisierung und dem Aufstieg der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert setzte eine epochale Wende ein: Krankheiten wurden zunehmend als biochemische oder mikrobiologische Prozesse verstanden, die sich messen, isolieren und gezielt behandeln ließen. Die Geburt der modernen Schulmedizin war zugleich die Geburt eines neuen wissenschaftlichen Paradigmas: Objektivität statt Erfahrung, Experiment statt Überlieferung, Labor statt Ritual.

Je weiter der wissenschaftliche Fortschritt voranschritt, desto mehr rückten traditionelle Heilweisen in den Hintergrund – ein Prozess, der Millionen Leben rettete (Impfungen, Antibiotika, bildgebende Verfahren) und zugleich eine kulturelle Entfremdung von gewachsenen Heilkulturen beförderte. In den westlichen Industriestaaten wurde „alternative Medizin“ zum Gegenentwurf: Rückbesinnung auf Natürlichkeit, Ganzheitlichkeit und Selbstheilung in einer technisierten Welt.

Der Konflikt der Systeme: Warum westliche Medizin anders prüft

Der Kern des Konflikts liegt selten in schlechter Absicht, sondern in unterschiedlichen Ansprüchen an Evidenz. Die moderne, evidenzbasierte Medizin (kurz auch EBM genannt) fordert, dass Behandlungsentscheidungen auf dem besten verfügbaren wissenschaftlichen Nachweis beruhen — das heißt: reproduzierbare, methodisch robuste Studien.

Definitionen und Grundsätze der EBM sind etwa hier zusammengefasst (siehe Link):
https://www.cebm.ox.ac.uk/resources/ebm-tools/what-is-evidence-based-medicine

Das Goldstandard-Design zur Prüfung einer Therapie ist das randomisierte, kontrollierte, idealerweise doppelt verblindete Studiendesign (randomisierte kontrollierte Studie, kurz RCT). RCTs minimieren systematische Verzerrungen, vergleichen Intervention gegen Placebo oder Standardtherapie und erlauben Aussagen über Kausalität (wirkt das getestete Mittel über Zufall/Placebo hinaus?).

Warum ist das relevant? Weil Gesundheitssysteme, Zulassungsbehörden und Krankenkassen auf Grundlage solcher Studien entscheiden, ob ein Mittel sicher, wirksam und wirtschaftlich ist. Fehlen belastbare RCT-Daten, bleibt die Erstattung oder offizielle Empfehlung in der Regel aus — selbst wenn Laborbefunde oder Erfahrungsberichte positive Signale liefern. Das ist kein Dogma, sondern ein pragmatisches Schutzprinzip: Behandlungen für große Populationen sollten auf dem zuverlässigsten Nachweisstand beruhen.

Tradition versus Kausalität – und wo Schungit ins Bild kommt

Traditionelle Medizin begründet ihre Wirksamkeit häufig über kollektive Erfahrung, kulturelle Kontinuität und Praxis (z. B. Kur-Traditionen in Sanatorien). Das erklärt die lokale Akzeptanz von Substanzen wie Schungit in Karelien: jahrhundertelange Anwendung, positive Erfahrungsberichte und die institutionelle Einbindung in lokale Heilanstalten. Gegenüber steht die Schulmedizin mit ihrer Frage: Lässt sich die Wirkung kausal auf den Wirkstoff (oder Stein) zurückführen — oder erklären sich beobachtete Effekte über Kontext, Kur-Rituale oder Placebo-Effekte?

Zwei konkrete Forschungsbefunde zu Schungit

1. Antioxidative / antiinflammatorische Eigenschaften
Labor- und In-vitro-Studien berichten, dass Schungit antioxidative Effekte zeigt und die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) reduzieren kann. Beispielstudie:
https://www.researchgate.net/publication/318480874_Antioxidant_and_Anti-Inflammatory_Effects_of_Shungite“ target=“_blank“>Antioxidant and Anti-Inflammatory Effects of Shungite (2017)

2. Wasserreinigung / Adsorptionseigenschaften
Schungit wird traditionell zur Wasseraufbereitung genutzt (bevorzugt wird hier Edelschungit verwendet). Moderne Untersuchungen zeigen, dass es organische Stoffe, Schwermetalle und Mikroorganismen adsorbieren kann. Beispielstudie:
Shungite application for treatment of drinking water (2021, Journal of Water and Health)

Diese Studien liefern wertvolle Laborergebnisse, aber sie ersetzen keine klinischen Humanstudien. Bislang gibt es keine randomisiert-kontrollierten Studien, die eine medizinische Heilwirkung von Schungit beim Menschen belegen. Aus Sicht westlicher Evidenz gilt die Datenlage daher als präklinisch – also interessant, aber nicht beweisend. Trotz der überlieferten und traditionellen Anwendungen in Karelien, und das sogar in staatlichen Sanatorien.

Hinzu kommt: Einige Untersuchungen zeigen, dass Schungit beim Kontakt mit Wasser auch Spurenelemente freisetzen kann. Vor jeder Anwendung als Trinkwasserfilter ist daher eine technische Prüfung und Zertifizierung wichtig. Beispiel:
Study on elemental release from natural shungite (2021, Environmental Research)

Brücken zwischen Labor und Tradition – Wege der Zukunft

  • Transdisziplinäre Studien: Laborbefunde (z. B. antioxidative Wirkung) sind ein Anfang. Der nächste Schritt sind methodisch saubere klinische Pilotstudien.
  • Methodentransfer: Kooperationen zwischen traditionellen Forschungszentren (z. B. Karelien) und westlichen Universitäten können Qualität und Vergleichbarkeit stärken.
  • Qualität & Sicherheit: Einheitliche Aufbereitung, Schadstoffanalysen und Standardisierung sind Voraussetzung für medizinische Zulassung oder Anwendung.
  • Integrative Medizin: Kombination von geprüften Naturstoffen mit bewährter Schulmedizin – vorausgesetzt, Sicherheit und Wirksamkeit sind wissenschaftlich dokumentiert.

Fazit

Traditionelle Medizin und Schulmedizin entspringen unterschiedlichen Erkenntniswegen – die eine baut auf Erfahrung und kultureller Praxis, die andere auf methodischer Prüfung und Reproduzierbarkeit. Beide Sichtweisen haben Berechtigung. Der produktive Weg führt über kritische Offenheit: ernsthafte Laborbefunde und jahrhundertealte Praxis respektieren – und zugleich die Brücke zur klinischen Evidenz aktiv bauen.


Stand: Oktober 2025